Miriam Schwartz, Beraterin und Psychotherapeutin, erklärt, welche Auswirkungen guter Schlaf auf unser Glücksempfinden und auch unsere Leistung hat.
Warum ist Schlaf für uns so wichtig?
„Ein erholsamer Schlaf ermöglicht es uns, wach, leistungsfähig und mental sowie emotional fit zu sein. Und Schlaf ist außerdem die Basis für unsere Gesundheit. Denn Schlaf hat einen positiven Einfluss auf unser Immunsystem, auf den Stoffwechsel und auf den Hormonhaushalt. Es werden beispielsweise im Schlaf Wachstumshormone ausgeschüttet. Schäden werden repariert, schädliche Stoffwechselprodukte abgebaut, Erlebtes und Gelerntes wird mit alten Erinnerungen verknüpft und Unwichtiges aussortiert. Schlaf übt also auch eine wichtige Funktion auf unsere Gedächtnisleistung aus und all das, was wir so wissen und gelernt haben.
Wichtig dafür ist aber, dass wir diese sogenannten REM-Phasen haben. Diese Phasen haben wir nur bei ausreichender Schlafdauer. Das heißt, wenn ich jetzt nur um die drei Stunden schlafe, dann kann es eben sein, dass ich nicht in den Tiefschlaf komme und all diese positiven Effekte des Schlafes gar nicht habe.„
Schlafmangel: eine der größten Volkskrankheiten unserer Zeit
Wer unter schlechter Schlafqualität leidet, hat ein bedeutend überaktives Stresssystem. Das kann zu vielen weiteren Krankheiten führen.
„Natürlich kennt jeder von uns es mal eine Nacht nicht durchzuschlafen oder nicht einschlafen zu können. Das ist auch erst mal nicht tragisch. Manchmal erkennen wir dann Symptome wie Erschöpfung, Unausgeglichenheit. Einige klagen auch über Kopfschmerzen oder Rückenschmerzen, sind unkonzentriert. Im Arbeitsleben, und auch auf den Alltag bezogen, können wir dann nicht die gleiche Leistung erbringen wie nach einer erholsamen Nacht. Ich glaube das kennen ganz viele. Und trotzdem würden wir uns nie eingestehen, „Ich hab nicht gut geschlafen. Ich melde mich jetzt krank“. Gucken wir uns jetzt den Anstieg an Schlafmangel bei Leuten im arbeitsfähigen Alter an, sind sehr viele Menschen bei der Arbeit übermüdet. Problematisch wird es dann, wenn wir ständig unter Schlafmangel leiden. Das kann langfristig dazu führen, dass wir Bluthochdruck haben, Stoffwechselerkrankungen können daraus resultieren, Übergewicht, psychische Erkrankungen wie Depressionen oder auch Angststörungen.„
Was kann man für guten Schlaf tun?
„Bei allem, was wir im Leben machen wollen, ist meine Empfehlung, wirklich herauszufinden, was für einen selbst das Beste ist! Ich finde es wichtig, dass man sich von all den Tipps und Ratgebern da draußen nicht unter Druck setzen lässt. Zwanghaft zu probieren immer acht Stunden zu schlafen oder nie mehr vor dem Schlafen aufs Smartphone zu schauen, halte ich für den falschen Ansatz. Mit Regeln und Kontrolle kann man den richtigen Schlaf nicht erreichen. Ich muss ehrlich sagen, dass es für mich auch ein sehr anstrengender Lernprozess war, meine Schlafgewohnheiten herauszufinden.„
Routinen helfen dem Hormonaushalt und somit dem Schlaf
„Es gibt einige wissenschaftlich basierte Empfehlungen, die dazu beitragen können, leichter in den Schlaf zu finden und gut durchzuschlafen. Diese leiten sich vor allem aus dem Zusammenspiel von Hormonen ab. Und beim Thema Hormonhaushalt helfen Routinen. Der Geist kann dadurch einen Rhythmus entwickeln.
Bei diesen Routinen können wir unseren Hormonhaushalt sehr gut unterstützen: Wenn wir tagsüber viel Tageslicht aufnehmen, wird das Wach-Hormon Serotonin gebildet, was uns auch glücklich macht. Abends, wenn wir in abgedunkelten Räumen schlafen und auch schon vor dem Schlaf die Nachtruhe in dunklen Räumen beginnen, wird das Schlafhormon Melatonin gebildet. Das ist eben auch der Grund, warum viele Experten dazu raten, vor dem Schlafengehen kein Blaulicht mehr zu konsumieren, was über Bildschirme abgegeben wird. Wir können also Einfluss auf das Ausschütten unserer Hormone nehmen, indem wir uns an einen bestimmten Rhythmus halten. Das heißt, es ist auch empfehlenswert, täglich etwa zur selben Uhrzeit ins Bett zu gehen, sich aber gleichzeitig nicht verrückt zu machen, wenn es mal nicht klappt.“
Bewegung fördert guten Schlaf auch
„Ein zweiter wichtiger Baustein kann Bewegung sein. Sie ist gesundheitsfördernd und sorgt auch für einen guten Schlaf. Wenn wir uns bewegen, wird auch wieder das Glückshormon ausgeschüttet. Also Serotonin, was wiederum mit dem Schlafhormon Melatonin korrespondiert. Alle Botenstoffe müssen in einer gewissen Balance sein. Und wenn wir einen der Bausteine vernachlässigen, hat das direkten Einfluss auf den anderen. Also wenn wir auf beides gut achten, dann helfen wir unserem Körper am meisten.“
Finde heraus, was am besten zu dir passt
„Meine Empfehlung ist, spielerisch und mit Neugier zu erkunden, was wirklich der richtige Weg für einen ist. Wir haben sehr viele Möglichkeiten unseren Körper zu unterstützen. Die können wir auch nutzen. Aber wir sollten lernen, ein wenig Kontrolle abzugeben und unserem Körper zu vertrauen, dass er schon genau das Richtige für uns tut. Das gilt nicht nur für Schlaf und Bewegung, sondern auch für andere Säulen eines gesunden und glücklichen Lebens.“
Ich glaube, das ist ein sehr guter Hinweis, weil wir ja eher zu Kontrollfreaks geworden sind, uns überall schlau machen und versuchen nach Textbuch zu gehen, alles googeln können. Dabei vergessen wir total unsere Intuition und darauf zu hören, was wir eigentlich brauchen.
Was genau macht am richtigen Schlaf nun glücklich?
„Die Botenstoffe Serotonin, Dopamin, Oxytocin und Melatonin spielen eine elementare Rolle für unsere Vitalität, Ausgeglichenheit, unsere Lebensfreude und letztendlich für die Seelenruhe. Dopamin regt in unserem Gehirn beispielsweise das Empfinden von Freude, Begeisterung, Motivation, Lust und Phantasie an. Serotonin wirkt sich auf die Stimmung aus, trägt zu unserem Sättigungsgefühl bei und spielt eine Rolle bei Angsterkrankungen.“
„Für einen optimalen Schlaf und eben auch ein Leben in Fülle kommt es darauf an, dass diese Hormone in Balance sind. Wie schon erwähnt, wird Serotonin bei Tageslicht gebildet und Melatonin bei Dunkelheit produziert. Diese beiden Botenstoffe stehen in sehr starke Abhängigkeit zueinander. Und wenn jetzt einer dieser Mitspieler ins Wanken gerät, hat es sofort auch Einfluss auf den gesamten Hormonhaushalt. Die gute Nachricht aber ist, dass wir sehr viel tun können, dieses Verhältnis wieder in den Griff zu bekommen. Voraussetzung ist immer, dass der Schlafmangel keine organische, also körperliche, Ursache hat wie eine Schilddrüsenüber- oder unterfunktion oder Schlafapnoe. Wir können Einfluss auf unseren Schlaf nehmen, wenn er psychische Ursachen hat.“
Enorm spannend, wie wir steuern können, den richtigen Hormon-Cocktail zu produzieren. So beeinflussen wir auch unser Glücklich sein. Wir haben es in der Hand und jeder muss wissen, was er daraus macht und das erfordert natürlich auch ein gewisses Ausprobieren und geduldig sein.
Wenn es jetzt ums Einschlafen geht und wir uns vorstellen, alles Mögliche getan zu haben, um gut einzuschlafen: Sport, einen entspannten Abend, warme Füße. Trotzdem können wir nicht einschlafen, weil die Gedanken kreisen.
Wie stellt man Grübeln vor dem Einschlafen ab?
„Grundsätzlich gilt: Wir können von unserem Geist nicht erwarten, dass, wenn er tagsüber auf Hochtouren arbeitet, er abends wie auf Kommando runterfährt. Gedanken sind natürlich immer da. Die werden wir nie abstellen können und deshalb hilft es als ersten Schritt, das auch tatsächlich zu akzeptieren!
Das ist leichter gesagt als getan, ich weiß. Was hilft das Gedankenkreisen zu unterbrechen, sind tatsächlich die Übergangszeiten vom Alltag zur Nachtruhe. Wie man diese gestaltet, hängt natürlich stark von seinen individuellen Präferenzen ab. Und da sind wir wieder bei den Routinen: ein abendlicher Spaziergang, eine Yogaeinheit, ein Buch, ein heißes Bad oder ein Abendtee kann helfen. Jeder braucht etwas anderes. Was alle diese Praktiken gemeinsam haben, ist, dass wir unser parasympathisches Nervensystem ansprechen, also das, was für die Entspannung sorgt und in den Erholungsphasen unseren Körper reguliert.
Wenn wir tagsüber sehr eingespannt sind, wir viel leisten, dann arbeitet der Sympathikus. Der ist evolutionstechnisch auf Flucht und Kampf eingestellt, hält uns alarmiert. Schlaf war daher schon vor hunderten von tausenden Jahren die schlechteste Methode zur Verteidigung. Deswegen ist es auch immer schwer, an neuen Orten gut einzuschlafen. Wir sind auf Habachtstellung und unser Gehirn denkt, dass es sich vielleicht gleich verteidigen muss. Wenn der Sympathikus also beansprucht wird, braucht er den Wechsel zum Parasympathikus. Diesen Wechsel kriegen wir mit einem regelmäßigen Abschalten, einem guten Übergang vom Alltag zur Nacht, hin.„
Die Brain Dumping Methode
„Wer jetzt aber häufig mit seinen Gedanken Karussell fährt, dem kann ich die sogenannte Brain Dumping Methode empfehlen: Man schreibt sich vor dem Zubettgehen nochmal alles auf, was für den nächsten Tag wichtig ist oder auch heute wichtig war. Diese offenen Schubladen, die wir noch im Kopf haben, begegnen uns ständig wieder, wenn wir gedanklich gegen diese Schubladen laufen. Wenn wir ein bisschen was runterschreiben, dann sind diese Schubladen vielleicht nicht ganz zu, aber sie stören nicht mehr so beim Vorbeigehen. Wir wollen unserem Gehirn signalisieren, „Ja, hab ich verstanden. Ist wichtig, kümmere ich mich auch drum. Aber nicht jetzt. Ich habe es mir aufgeschrieben und vergesse es nicht.“„
Kann man Schlaf vor- oder nachholen?
„Auch eine sehr spannende Frage! Die meisten Studien sind sich darüber einig, dass sich Schlaf nicht über eine längere Zeit auf ein Konto einzahlen lässt und wir es abrufen können, wenn wir es gerade brauchen oder mal Zeit dafür haben zu schlafen. Wer gesund sein und gesund schlafen will, sollte die natürlichen Schlafzeiten seines Körpers so gut wie möglich einhalten.
Viele Experimente zeigen, dass wir natürlich kurzfristig von vor- oder nachgeholtem Schlaf profitieren können. Hier forscht insbesondere das Militär sehr stark bei den Menschen, die tatsächlich unter Schlafmangel leiden müssen und hat dazu auch schon verschiedene Ergebnisse publiziert. Es gibt eine Studie, die herausgefunden hat, dass die Probanden, die 4 Tage wenig schlafen und ihren Schlaf nicht vor- oder nachholen, wesentlich schlechtere Blutwerte haben als jene, die vorgeschlafen oder ihren Schlaf nachgeholt haben. Langfristig führt das aber zu Schlafrhythmusstörungen.
Dass wir mal durchfeiern und müde sind, kann unser Körper hinbekommen. Das ist normal. Aber eben nicht auf Dauer.“
Obacht mit Koffein!
„Und natürlich ist das Thema Koffein ein wichtiges. Koffein ist tatsächlich eine psychotrope Substanz, die abhängig machen kann. Der Körper kann dagegen eine gewisse Toleranz entwickeln. Wenn ich eigentlich ein Morgenkaffee-Trinker bin und jetzt auf einmal nachmittags zwei trinke, dann kann es natürlich passieren, dass ich abends nicht gut schlafen kann. Das ist auch mal in Ordnung, wenn ich das in Kauf nehmen möchte. Wer allerdings eine effektive Methode sucht, besser schlafen zu können, dem rate ich, den Koffeinkonsum zu reduzieren, besonders, wenn er bereits unter Schlafstörungen leidet.“
Miriam, was ist dein abschließender Tipp?
„Mein Tipp ist mit Selbstliebe und Gelassenheit an das Thema ranzugehn: Zu sich zurückzufinden, darauf zu achten, was einem wirklich selbst guttut, sich zu reflektieren, zu gucken, welche Methode zu einem passt. Dazu gehört auch sich nicht von Ratgebern verrückt machen zu lassen, sondern wirklich wieder auf sich zu hören und zu gucken, was der Körper braucht. Ich glaube, damit ist schon viel Entspannung geschaffen.“
Dankeschön, Miriam!
Miriam Schwartz ist Gründerin von Mindactory Consulting und engagiert sich für mentale Gesundheit im Unternehmenskontext. Nach mehrjähriger Tätigkeit im facettenreichen Beratungsumfeld, in dem ich sie kennengelernt und mit ihr gearbeitet habe, wandte sie sich verstärkt den Themen Gesundheit und Persönlichkeitsentwicklung zu. Mit ihrem psychotherapeutischen Hintergrund begleitet sie Ihre KlientInnen erfolgreich beim Spagat zwischen operativer Tätigkeit & Führung; Arbeit & Familie; Stress & Gesundheit.