Karrierewechsel mit Mitte 50
Mit Anfang 50 ist in Hartmut zum ersten Mal die Idee gekeimt sich in der Entwicklungshilfe zu engagieren.
Zu dem Zeitpunkt hatte der studierte Informatiker schon unterschiedliche Führungspositionen, eine Partnerschaft in einem IT-Unternehmen und eine Selbstständigkeit hinter sich. Bis er diese große Veränderung in seinem Leben antreten konnte, sollten jedoch noch ein paar Jahre in einer Anstellung vergehen.
Hier erzählt Hartmut von seiner Arbeit als Prozessberater beim staatlichen Reparationsrat in Lima, Peru (Consejo de Reparaciones), dessen Aufgabe die Registrierung und Anerkennung aller Opfer ist, die unter der Guerillabewegung Leuchtender Pfad (Sendero Luminoso) und den Militärs gelitten hatten.
Was hat dich dazu veranlasst dich in der Entwicklungshilfe zu engagieren?
In meiner Karriere hatte ich viel gelernt und mir Wissen angeeignet, was ich im Ausland gerne mit anderen teilen wollte. Das war allerdings mit meinem IT-Hintergrund gar nicht so einfach. Es hat ein paar Jahre und einige Bewerbungen gedauert bis ich zum Assessment Center der giz (Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) eingeladen wurde. Meine Beharrlichkeit hat sich ausgezahlt.
Welche größten Hürden musstest du vor Ort meistern?
Der Registerrat war eine staatliche Organisation. Nach drei Monaten wurden die finanziellen Mittel gekürzt, sodass von 70 Mitarbeitern noch 10 übrig blieben, mit denen alles abzuarbeiten war. Und ich durfte nicht mitarbeiten. In der Entwicklungshilfe ist man nur beratend tätig. Was aber auch wichtig und richtig so ist, denn es gilt nicht seine eigenen Ideen und Ansprüche umsetzen zu wollen.
Eine Angst der peruanischen Kollegen am Anfang war, dass ich Arbeit wegnehmen könnte. Das hat sich schnell gelegt. Nach ganz kurzer Zeit haben sich die Abteilungen mit ihren Problemen an mich gewendet. Ganz wichtig war halt, dass man sich nicht aufdrängt, dass man zuhört.
Irritiert hat mich zum Teil, dass Vorgaben von Vorgesetzten strikt umgesetzt wurden, ohne hinterfragt zu werden. Ich agierte quasi als „Übersetzer“ zwischen den Mitarbeitern der 3 Abteilungen und hatte großes Glück einen kooperativen Chef und gute Beziehungen auf allen Ebenen zu haben. Insofern ist Offenheit für mich ein wichtiger Schlüssel gewesen mich schnell einzuarbeiten.
Was ist der größte Unterschied in der Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Peruanern?
Das ist eine gute Frage! Am Anfang schlug mir ein wenig Skepsis entgegen, aber das legt sich bald und die Kommunikation mit den Kollegen war sehr angenehm, deren offene, kollegiale Art. Man konnte mit jedem sprechen und scherzen. Ich habe mich immer gefreut, wenn ich meinen Kollegen auch mit Kleinigkeiten helfen und den Arbeitsalltag erleichtern konnte.
Bei privaten Treffen mit den Kollegen kam dann heraus, dass man gegenseitig viel voneinander gelernt hat. Das war das Schöne dabei.
Wir Deutschen sind zwar bekannt für Pünktlichkeit, aber ich habe mich schnell daran gewöhnt und akzeptiert, dass die Uhren dort anders laufen. Alles andere wäre kontraproduktiv gewesen.
Was war die prägendste Erfahrung, die du gemacht hast?
Wir haben gesehen, was wir verbessern konnten das Opferregister handhabbarer zu machen. Die unbearbeiteten Akten stapelten sich bis zur Decke, aber es gelang uns die verschiedenen Prozesse zur Zufriedenheit aller zu optimieren und in einem Fall die Bearbeitungszeit von 1 Jahr auf 2 Wochen zu reduzieren. Das aber nur nebenbei. Es hat einfach richtig Spaß gemacht da zu arbeiten! Es war ein sehr angenehmes Verhältnis zu den Kollegen. Wir haben auch viele Feste zusammen gefeiert. Es war eine sehr sehr schöne Zeit. Die hat mich extrem stark geprägt.
Warum würdest du es immer wieder tun?
Weil ich das, was ich aus eben diesen privaten wie beruflichen Erlebnissen gezogen habe, nicht mehr missen möchte. Ich kann nur jedem empfehlen, der damit liebäugelt im Ausland Erfahrungen zu sammeln, es auch zu tun! Als Erwachsener lernt man nie wieder in so kurzer Zeit so viel. Die Offenheit und Herzlichkeit der Menschen in Peru ist einzigartig.
Die sozialen Gegensätze in Peru zwischen arm und reich sind sehr groß, während wir in Deutschland auf hohem Niveau jammern und leben wie im Paradies.